Sind Mark Zuckerberg, Elon Musk oder Jeff Bezos Entrepreneure oder Unternehmer? Zwischen den beiden Begriffen scheint ein kleiner, aber feiner Unterschied zu liegen, obwohl das französische Wort laut Lexikon mit Unternehmer übersetzt wird. Aber Unternehmer ist kein 100-prozentiges Synonym für Entrepreneur, und Entrepreneurship nicht das Gleiche wie Unternehmertum. Was macht also den Unterschied? Zeit, sich mit Wirtschaftstheorien und einem inzwischen arg strapazierten Begriff zu beschäftigen.
Macher auf eigenes Risiko
Im frühen 16. Jahrhundert ist der „Entrepreneur“ der Macher und Organisator von Expeditionen. 1723 nimmt das „Dictionnaire Universel de Commerce“, das Handelslexikon, den Begriff auf und definiert ihn als selbständigen Händler oder Anbieter von Produkten. Sieben Jahre später beschreibt der irisch-französische Ökonom Richard Cantillon den Entrepreneur als einen von drei Wirtschaftsakteuren, der sich im Gegensatz zum materiell unabhängigen Landbesitzer und zum Angestellten mit festem Einkommen auf eigenes Risiko mit dem Tausch von Marktgütern beschäftigt. Die Mittel dazu? Entstehen bei diesen Geschäften.
Risikobereitschaft und Eigenständigkeit stehen im Mittelpunkt von angelsächsischen Theoretikern, die sich mit der Rolle des Unternehmers beschäftigen und diesen so vom „enterpriser (Anbieter), „businessman“ (Geschäftsmann) oder „contractor“ (Auftragnehmer) abheben. Möglicherweise weil im Englischen bis dahin ein Begriff für einen unabhängigen Unternehmer fehlte, ist der Entrepreneur seither fest im britischen und amerikanischen Wortschatz verankert: „Der Entrepreneur“, definiert der Wissenschaftler Frank Knight, „ist ein Entscheider in einer unsicheren Umgebung. In dieser Rolle ermittelt er die Wünsche von Verbrauchern und sichert sich die notwendigen Werkstoffe und Leistungen, um damit Produkte oder Dienstleistungen herzustellen.“ Zu Eigenverantwortung, Selbständigkeit und Risikobereitschaft gesellt sich die Kundenorientierung als wichtige Eigenschaft.
Entdecker und Vermarkter von Neuem
Von Knight ist es nicht weit zu Josef Schumpeter, der als Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler ökonomische Entwicklungen erforscht und diese kurzzeitig als Finanzminister Österreichs, als Banker und Anwalt sogar lenkt. Auch Schumpeter widmet sich dem Unternehmertum und schreibt als Weltbürger auf Deutsch und Englisch. Dabei macht er übrigens keinen Unterschied zwischen den Begriffen. Aber er ergänzt die Eigenschaften des Entrepreneurs um die viel zitierte Innovationskraft und die kreative Zerstörung: „Der Entrepreneur ist ein Innovator“, schreibt Schumpeter, „der wirtschaftliche Entwicklungen neu kombiniert, also neue Güter, neue Produktionsmethoden, neue Märkte, neue Rohstoffquellen oder neue Organisationsformen erstellt.“ Dabei ist der Innovator allerdings kein Erfinder, sondern derjenige, der Neues in den allgemeinen Gebrauch überführt, also vermarktet.
Schumpeters Ausführungen von der Innovationskraft des Unternehmers werden spätestens in den 1990er Jahren wieder entdeckt – erst in den USA, danach in Europa und Deutschland. Getrieben von Informationstechnologien und Internet rollt ein Gründungsboom durch die Wirtschaft, in dessen Verlauf bestehende Produktions-, Handels- und damit auch Kommunikationsprozesse renoviert werden und dadurch in fast allen Branchen digitale Businessmodelle entstehen. Das Bild des Unternehmers wandelt sich prägnant: Aus dem Macher und Vermarkter von Erfindungen wird der geschickte Nutzer neuer Technologien, der damit Liefer- und Kundenbeziehungen neu ordnet, neue Kommunikationskanäle öffnet und neue Services erfindet.

Gründer mit wenig Geld und Fachwissen
So startet Jeff Bezos, einer der erfolgreichsten Internet-Gründer, 1994 mit einem Online-Versand von Büchern und Medien, baut Amazon zum Marktplatz für alle möglichen Produkte aus und um diesen herum im Lauf der Zeit allerlei Dienstleistungen für Unternehmen, Hersteller und Marken. Bezos’ Vision ist die Eliminierung des Handels aus der Wertschöpfungskette und die direkte Verbindung von Produzent zu Verbraucher. Wie viele Internet-Gründer hatte Bezos Elektrotechnik und Informatik studiert, wenig Ahnung von Buchmarkt und Management. Und – noch ein Kennzeichen der neuen Entrepreneure – er brachte nicht eben viel Geld in seine Gründung ein. Den Start von Amazon finanziert er aus Erspartem sowie mit Hilfe von Freunden und Familie. Das Unternehmen wächst und internationalisiert mit dem Kapital privater Investoren, die mit ihren Beteiligungen anfangs ein großes Risiko eingingen.
Keine eigenen Mittel, wenig Managementerfahrung und kaum Kontakte in eine Branche: Bezos ist ein Paradebeispiel für eine neue Entrepreneurship, die in den Nuller-Jahren des neuen Jahrhunderts weltweit immer mehr Menschen elektrisiert: Digitale Techniken und Dienstleistungen oder Online-Marktplätze bieten viele Möglichkeiten für immer neue Unternehmungen, mit ihnen lassen sich Geschäftsideen schnell verbreiten und internationalisieren. Und sie sind so günstig, dass der Aufwand zum Start niedrig ist. Etsy, eBay, MyHammer entwickeln die Marktplatz-Ökonomie weiter, aus Konsumenten werden Produzenten und Anbieter. Der Prosument ist geboren – und Gründen wird beinahe Volkssport.
Unternehmer mit Mission
„Mein Eindruck ist, dass alle Menschen geborene Unternehmer sind. Jeder hat die Anlagen dazu“, stellt schließlich der Armutsforscher und Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus aus Indien fest. „Aber die Gesellschaft ermöglicht es nicht, diese Anlagen auch zu entfalten. Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie diese unternehmerischen Fähigkeiten besitzen.“ Gründeten bislang vor allem Menschen, die eigene Mittel oder beste Beziehungen zu Finanziers und Banken hatten, wird Unternehmertum jetzt demokratisiert und zur Strategie der Armutsbekämpfung. Mit Mikrokrediten finanziert Yunus Gründerteams, in der Mehrzahl Frauen, weil diese mit ihren Gewinnen auch Familien und die Bildung von Kindern voranbringen. Nebenbei fördert Yunus in den ländlichen, unversorgten Gegenden Indiens die Entwicklung von neuen (Genossenschafts-)Banken und Finanzstrukturen. Trotz einiger Fehlentwicklungen macht das Beispiel Schule und erreicht sogar die Armutsviertel reicher Industrieländer.
„Unsere Gesellschaft braucht Gründer. Und nicht nur einige wenige, sondern möglichst viele. Eine Art Volks-Entrepreneurship“, fordert 2008 der Wirtschaftswissenschaftler und Gründer Günter Faltin in seinem Buch „Kopf schlägt Kapital“. Wenn alle Unternehmer werden können, wird unternehmerisches Denken jetzt zur Geisteshaltung und Einstellungssache. Neben die Serial- und Parallel-Entrepreneure, die in Serie oder mehrere Unternehmen gleichzeitig gründen, gesellen sich – je nach Alter, Lebenserfahrung und Geschlecht – die Young, Senior oder Female Founder. Social und Eco-Entrepreneure formulieren eine Mission und wollen soziale, ökologische Probleme wirtschaftlich lösen. High-Tech-Entrepreneure setzen indes auf neueste Technologien, neben IT auf Bio-, Med-, Foodtech und mehr. Nicht zuletzt mausern sich Intrapreneure zu den am höchsten geschätzten Angestellten von Unternehmern, weil sie ihre Aufgaben eigenständig und mit Entrepreneurseinstellung lösen.

Unternehmer versus Entrepreneur
Nicht nur in Deutschland wird nun aber auch ein kleiner, aber feiner Unterschied gemacht: Nur wenige Gründer wollen Unternehmer sein. Unternehmer – das klingt nach Kapitalismus, Patriarchat, Tradition, alte Schule, irgendwie negativ. Und gerade nicht nach den „disruptiven Businessmodellen“, mit denen Entrepreneure mit Gewohnheiten und Strukturen brechen. Entrepreneure wollen innovativer sein, sowieso digitaler, und das nicht nur mit ihren Angeboten. Sie nehmen für sich in Anspruch, soziale Probleme zu lösen, gehen mit ihren Beschäftigten vermeintlich lockerer und auf gleicher Augenhöhe um, legen Wert auf Kundennähe und direkte Kundenkommunikation, bringen mehr Effizienz in die Beziehungen zu Lieferanten und Subunternehmern. Doch an dieser Stelle bekommt das Bild des Entrepreneurs dunkle Flecke.
Auf den zweiten Blick halten nämlich einige Entrepreneure ihren hohen Erwartungen nicht stand: Ihre Unternehmungen fördern oft Konzentration und Monopolisierung, schaffen eher prekäre, unsichere Arbeitsbeziehungen und keine Mitbestimmung, höhlen bestehende Gesetze und Regeln aus, fördern Ungleichheit. Frauen, Migranten, People of Colour – Menschen die im Arbeitsalltag schon immer härter kämpfen müssen – werden außerdem gerade bei der Finanzierung von Businessideen weiterhin übergangen. Wer also ist Entrepreneur, wer Unternehmer? Die Grenze ist heute fließend. Jeff Bezos wurde in den Anfangsjahren von Amazon für Kundennähe, schnelles Wachstum, Innovationskraft geschätzt, heute wird er für die sichtbare Kehrseite seines Handelns heftig kritisiert. Aus ähnlichen Gründen wandelte sich die Bewunderung für Mark Zuckerberg oder Elon Musk in Ablehnung. Entrepreneurship ist Einstellungssache. Und so ist zwar jeder Entrepreneur ein Unternehmer, aber nicht jeder Unternehmer ein Entrepreneur.