Safari gefällig? In der Savanne der Entrepreneure und Startups streifen viele Arten durch den Lebensraum. Und genau wie ihre tierischen Gegenstücke haben sie alle ihre Eigenheiten und Merkmale. Heute werfen wir einen Blick auf die Artenvielfalt im Unternehmertum und auf welche Weise Startups arbeiten und funktionieren.

Das Einhorn
Als Einhorn bezeichnet man ein privates Start-up, das innerhalb eines Jahrzehnts mit einer Milliarde Dollar oder mehr bewertet wird. Die Risikokapitalgeberin Aileen Lee machte den Begriff im Jahr 2013 populär. Das pferdeähnliche Fabelwesen mit seinem markanten Horn wurde gewählt, um die Seltenheit eines solchen vielversprechenden Unternehmens zu betonen. Seitdem hat sich der Begriff Einhorn in der Startup-Branche fest etabliert. Unternehmen, die diesen Status erreichen, gelten als erfolgreich und zeichnen sich durch exponentielles Wachstum mit hohen Gewinnen für die Aktionäre oder beim Exit aus. Gut zu wissen: Wenn ein Startup mit mehr als 10 Milliarden Dollar bewertet wird, handelt es sich nicht mehr um ein Einhorn, sondern um ein Decacorn.
Doch das blitzblanke Image der Einhörner hat über die Zeit dunkle Flecken bekommen: Skandale um sexuelle Belästigung, Sexismus und Rassismus bei berühmten Shootingstars Startups wie Wework, Uber und Airbnb haben die Kritik an dieser Art von Unternehmen lauter werden lassen. Gegner des Einhorn-Systems sehen den Fokus auf messbares Wachstum als zu kurzlebig an. Die Gruppe der Menschen, die sowohl vom Produkt als auch vom Umsatz profitieren, ist nicht vielfältig genug: Die Mehrheit ist weiß und männlich. Zudem gibt es häufig keinen tieferen Zweck hinter der Existenz dieser Startups als schnelles Geld zu verdienen.

Der Drachen
Noch seltener als das Einhorn ist der Drache. Während der Wert eines Einhorns einfach eine Schätzung der zukünftigen Auswirkungen und Leistungen ist, wird er nicht an seinem tatsächlichen Ergebnis für den Investor gemessen. Wenn ein Startup die investierten Mittel an seine Kapitalgeber zurückzahlen kann, ist es ein Drache. Und während Investoren jederzeit einen Anteil an einem Einhorn kaufen können, müssen sie den Drachen in einem sehr frühen Stadium finden. Nur sehr wenige Einhörner entpuppen sich am Ende als Drachen. In den letzten 10 Jahren waren nur 7 Prozent der Einhörner in der Lage, die gesamten Investitionen zurückzuzahlen.

Das Zebra
Seit 2017 ist ein Gegenkonzept zu den Einhörnern entstanden, das Unternehmer von dem Druck der Risikokapitalgeber befreit, so schnell wie möglich und vielleicht sogar ohne Rücksicht auf Verluste zu skalieren. Und durch die Wahl eines real existierenden Tieres anstelle eines Fabelwesens als Maskottchen verstehen sich die Zebra-Startups als ethische und integrative Bewegung. Wachstum und Umsatz sind immer noch wichtige Messgrößen, aber Zebras streben nach einem nachhaltigen Wachstum, das auch Auswirkungen auf die Gesellschaft hat – so wie das Tier schwarze UND weiße Streifen hat. Sie ermutigen auch dazu, in einem Kollektiv für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten, statt als Einzelkämpfer die individuelle Unternehmensagenda voranzutreiben. Qualität, eine Agenda, die sich auf die Schaffung Neues konzentriert, und eine langfristige Vision sind die selbsternannten Hauptmerkmale dieser Startups.
Doch obwohl sich die Ideologie des Zebra-Startups von den Einhörnern abgrenzt, schließen sich beide Formen nicht unbedingt aus: Aus finanzieller Sicht besteht immer die Möglichkeit, dass einem Zebra ein Horn wachsen kann.

Das Kamel
Das genügsame Kamel-Startup braucht kein unterstützendes Ökosystem wie das Silicon Valley, um zu überleben. Stattdessen handelt es sich um ein Unternehmen, das sich darauf konzentriert, auf solidem Boden zu bauen und auch in schwierigen Zeiten zu überleben. Wie die Zebras unterscheidet sich ein Kamel von einem Einhorn dadurch, dass es in der Realität verwurzelt ist und schnelles Wachstum gegen ein konservativeres Geschäftsmodell eintauscht: Kamele wachsen, wenn sie es können und die Ressourcen es ihnen erlauben. Oftmals haben sie nicht viel Kapital, auf das sie zurückgreifen können. Stattdessen verwalten sie ihre Kosten sehr sorgfältig und bauen ein Portfolio auf, das den Erfordernissen ihrer Strategie entspricht. Unternehmer von Kamel-Startups riskieren nicht alles durch eine All-in-Investition, sondern streben ein starkes Fundament an, das Risiken aushalten kann.
Für viele Kamel-Startups sind Diversifizierungsstrategien unerlässlich. Diese können zu zwei Effekten führen: Entweder sie sind selbstverstärkend, das heißt, sie lernen von einem Geschäftsfeld oder Markt für einen anderen. Oder sie sind selbstausgleichend, d. h. wenn es in einem Bereich ein Risiko oder einen Rückschlag gibt, kann dies durch die Beständigkeit der anderen Bereiche ausgeglichen werden.

Die Gazelle
Im Gegensatz zu den anderen ist die Definition für ein Gazellen-Startup nicht so fest etabliert. Ursprünglich bezeichnete es ein Startup mit mindestens 1 Million Dollar Umsatz, das diesen Umsatz vier Jahre in Folge um mindestens 20 Prozent steigern konnte. Heute wird der Begriff vor allem für Tech-Startups verwendet, die in Afrika gegründet wurden. Da das in afrikanische Unternehmen investierte Kapital insgesamt viel geringer ist als z. B. in den Vereinigten Staaten, entscheiden sich die Investoren für einen geringeren Umsatz als bei der Messung nach Einhorn-Standards. Die meisten Gazellen-Startups sind börsennotierte Unternehmen und unterscheiden sich in ihrer Größe. Charakteristisch für sie alle ist jedoch das schnelle Wachstum. Daher sind sie oft bedeutende Schöpfer neuer Beschäftigungsmöglichkeiten.
Aber wie in der Natur besteht immer die Gefahr, von einem Raubtier gejagt zu werden. Instagram kann als Beispiel betrachtet werden, das von Facebook übernommen wurde. Auch Facebook selbst hätte in seiner Anfangszeit die Definition eines Gazellen-Startups erfüllt. Ein weiteres Risiko bei einem Gazellenunternehmen besteht darin, dass das schnelle Umsatzwachstum nicht endlos aufrechterhalten werden kann und nach einigen Jahren wieder zurückgeht.

Das Clydesdale
Startups, die als Clydesdales bezeichnet werden, definieren sich oft durch einen Jahresumsatz zwischen 1 und 5 Millionen Dollar. Mit diesen Zahlen erreichen sie zwar nicht die Sphären eines Einhorns, machen aber wie ihr Namensvetter, einem prachtvollen Kaltblut, dennoch eine majestätische Figur. Und auch in vielen anderen Aspekten erweisen sie sich als robust: Unternehmer mit einem Clydesdale-Startup vermeiden es, Schulden zu machen, sondern bezahlen ihre Ausgaben sofort und besitzen Immobilien, statt sie zu mieten oder zu leihen. Wachstum ist ein Ziel, aber nur, wenn das Startup es sich leisten kann.

Der Esel
Der Esel hat nicht den besten Ruf unter den Tieren. Und ein Esel zu sein, ist im Startup-Ökosystem auch in keiner Weise erstrebenswert. Der Begriff beschreibt ein ehemaliges Einhorn, das die Erwartungen an seine Bewertung nicht erfüllen konnte. Die Gründe können vielfältig sein: Manchmal hat das Startup zu viel Zeit und Mühe in die Geldbeschaffung gesteckt und die grundlegende Ökonomie des Geschäftsaufbaus vernachlässigt. Andere Einhörner verloren ihren begehrten Status, als sie an die Börse gingen. Beispiele hierfür sind WeWork oder Uber, die beide 40 Millionen US-Dollar oder mehr beim Börsengang verloren haben. In anderen Fällen war die Bewertung zu sehr auf vielversprechende Möglichkeiten als auf konservative Fakten und Zahlen ausgerichtet. Nur weil das Produkt des Startups (und insbesondere die digitalen Produkte) grundsätzlich für jedes Land der Welt geeignet ist, kann die Beschaffenheit der regionalen Märkte ein Hindernis darstellen, das nicht so leicht überwunden werden kann.

Die Kakerlake
Ja, es mag attraktivere Tiere geben als der ungeliebte Käfer. Aber ein Kakerlaken-Startup zu sein, mag zwar nicht sehr erstrebenswert klingen, ist aber eigentlich gar nicht so schlimm. Startups, die als solche bezeichnet werden, sind sehr robuste Unternehmen, die von hart arbeitenden Menschen gegründet wurden, die nicht im Rampenlicht stehen wollen. Ihr Erfolg beruht nicht auf exzentrischer Genialität, sondern auf Geduld, Arbeit, einer soliden Grundlage und praktischem Denken. Diese Entrepreneure gründen oft mehrere Unternehmen und geben sich große Mühe, sie zu skalieren und schließlich zu verkaufen. Auch der Begriff der Kakerlake wurde eingeführt, um einen Gegenbegriff zum allgegenwärtigen Einhorn und der ernüchternden Bilanz deren Erfolge zu schaffen.

Der “Thunder Lizard”
Der Begriff wurde von Angel-Investor Mike Maple definiert, und wenn man an Godzilla denkt, ist man der Wahrheit schon sehr nah. Ein „Thunder Lizard“-Startup wächst aus dem Nichts zu einem wichtigen Akteur in seinem Markt heran und verändert dessen Gestalt für immer. Da diese Startups nicht nur ein einfacher Akteur sein, sondern das Spiel beherrschen wollen, werden sie durch große Investitionen unterstützt. Grundlage für ihren Erfolg ist ein starkes Geschäftsmodell, das ihre Vision widerspiegelt, in ihrem Markt an die Spitze zu gelangen. Dazu gehört die grundsätzliche Bereitschaft, nicht nur zu iterieren, sondern auch zu pivotieren. Im Gegensatz zu großen Unternehmen, besitzen Startups den Vorteil, drastische Veränderungen schneller durchführen zu können. Ein Beispiel für ein Godzilla-Startup: ein Unternehmen, das mit einer Plattform für Podcasts begann. Als dieses Produkt durch ein größeres Unternehmen mit demselben Produkt obsolet wurde, zog das Startup die Reißleine und änderte sein Angebot komplett. Heute kennen wir es als Twitter.
Artenvielfalt bei Startups
Wie bei Mutter Natur gibt es mehr Spezien im heimischen Entrepreneurship Biotop zu finden, als man je aufzählen könnte. Und sicherlich werden in den nächsten Jahren noch einige neue Arten hinzukommen.