29.Aug 2022

Interview mit Startup SQIN: Das Netzwerk ist so wichtig wie das Produkt

Im Juni ging der erste Batch von Master Accelerator zu Ende. Doch die Reise der Startups geht weiter. Wir haben uns mit den Gründern von SQIN, Maria-Liisa Bruckert und Martin Pentenrieder, unterhalten. Die beiden verraten uns nicht nur einiges aus ihrer persönlichen Startup-Geschichte, sondern teilen ihre Erfahrungen mit Accelerator-Programmen, ihre nächsten Pläne und was sie bisher auf ihrem Gründerweg gelernt haben. 

SQIN-Gründer Maria-Liisa Bruckert und Martin Pentenrieder
Euer Startup SQIN habt ihr 2021 gegründet, wie kam es zu der Idee? 

Martin: Vielleicht zunächst einmal zu unserem Hintergrund: Wir beide kommen aus dem Bereich Mobilität und Energie. Ich habe mich schon in meinem vorherigen Startup mit neuen Technologien beschäftigt, während Maria das Thema aus der Perspektive der Digitalisierungsstrategie betrachtet hat. 

Maria: In den Jahren vor der Gründung haben wir uns aus eben diesem Interesse heraus vermehrt mit Märkten beschäftigt, die in der Digitalisierung noch nicht so weit vorangeschritten sind. Relativ schnell haben wir erkannt, dass sowohl Beauty als auch Health zwei Märkte sind, die noch extrem viel Potential haben und bisher noch keine ganzheitlichen Ansätze aufweisen. 

Dazu kann man sagen: Meine Mama ist Kosmetikerin und so kenne ich mich von Hause aus mit dem Feld aus. Ich weiß, wie wenig digital das Berufsfeld gelebt wird und vor allem, wie viel mehr man eigentlich schaffen könnte, wenn die Prozesse effizienter sind. 

Martin: In Folge dessen haben wir also die relevanten Player der beiden Märkte, Beauty und Health, befragt und auf Basis der Ergebnisse – zusammen mit den Beteiligten– das Geschäftsmodell hinter SQIN erarbeitet. 

Ihr habt in mehreren Förderprogrammen teilgenommen: Master Accelerator und German Accelerator. Was sollte ein guter Accelerator leisten und was habt ihr an den Programmen besonders geschätzt? 

Maria: Das ist richtig: Wir haben mittlerweile an mehr als 10 Accelerator-Programmen in verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Schwerpunkten teilgenommen. Und insgesamt kann man sagen, wir haben aus jedem etwas mitgenommen! 

Der Erfolg der Programme ist aber vor allem abhängig davon, wie involviert die Teams dahinter sind und wie intensiv sie an ihren Programmen arbeiten – die eigenen Konzepte überdenken, nach Feedback fragen usw.  

Martin: Leider haben viele der Accelerator-Programme, von denen wir Teil waren, während der Pandemie-Zeit stattgefunden. Dementsprechend fand das meiste online statt, wodurch viele „Zufallsbegegnungen“ oder intensivere Gespräche zwischen den Programmpunkten verloren gegangen sind. Gerade in anderen Ländern und Kulturen kann man ohne diesen persönlichen Kontakt aber insbesondere im Business-Zusammenhang nicht wirklich weiter voran kommen. 

Umso mehr schätzen wir vor allem am Master Accelerator & German Accelerator, dass schnell versucht wurde, vieles hybrid zu gestalten, sobald es möglich war. So konnte man viele Verbindungen knüpfen und Möglichkeiten nutzen, die ganz nebenbei aufkommen – von Partnerschaften bis hin zu Finanzierung. 

Maria: Für ein gutes Programm ist es auf jeden Fall auch wichtig, dass die teilnehmenden Firmen in einer ähnlichen Stage sind. Nur so ist es möglich, sich gut und zielführend auszutauschen, vor allem aber auch zu unterstützen. Das hat im Master Accelerator besonders gut funktioniert, weil wir nah zusammen waren – örtlich, aber auch hinsichtlich der Business Stages. 

Martin: Ein guter Accelerator sollte  auch in einem gewissen Maße an die Bedürfnisse der individuellen Startups zugeschnitten sein oder sich mit ihnen formen. Ein festes Programm auf Biegen und Brechen durchzuziehen hilft nicht weiter. Zudem finde ich wichtig, dass der Accelerator ein starkes und belastbares Netzwerk mitbringt und intensive Beziehungen zwischen Mentoren und Startups vor allem durch echte Meetings in Person fördert. 

Die Angebote von German Accelerator helfen Startups bei der Internationalisierung. Wieso sollte man sich als Gründer früh mit Internationalisierung auseinandersetzen? 

Maria: Das Thema Skalierbarkeit in Produkten bzw. Lösungen ist im Prinzip eine Anfangsentscheidung. Ist das Produkt, das man bauen will, eher lokal adressiert oder tatsächlich weit skalierbar? Wenn man diese Frage beantworten will, muss man durch fundierte Untersuchung an sie herangehen. 

Eine Möglichkeit dazu ist, mit Menschen zu sprechen, die damit schon Erfahrungen haben. So können auch Fehler vermieden werden. 

Wenn man als Startup an den Punkt kommt, in dem man in Finanzierungsrunden oder mit Partnern über neue Märkte spricht, muss man diese auch kennen. Diese Kenntnis erlangt man zum Beispiel in den Programmen von German Accelerator: Es werden Test Cases in den betreffenden Märkten aufgebaut und man lernt die Kulturen, sowie auch die lokalen Bedürfnisse kennen. 

Martin: Dieses Wissen zu haben und auch zu interpretieren ist nötig, um irgendwann überhaupt eine Internationalisierungsstrategie entwickeln zu können. 

Mit meinem vorherigen Startup bin ich diesen Schritt in verschiedenen Märkten bereits erfolgreich gegangen und habe die Erfahrung gemacht, dass in diesem Feld (wir haben uns mit Brennstoffzellen befasst) andere Märkte bereits viel weiter waren. Der deutsche Markt hingegen war damals noch nicht bereit für das Thema. Darum haben wir unsere Firma zunächst im amerikanischen Markt entwickelt, um von dort aus zu wachsen. 

Genau aus diesem Grund sollten sich auch andere Startups mit diesem Thema befassen. Es geht nicht nur um die Frage nach den richtigen Wachstumsmärkten, sondern auch nach dem richtigen Einstiegsmarkt. Für eine erfolgreiche Gründung sind ein gutes Produkt, das richtige Team und das perfekte Timing nötig. Doch vielleicht ist das perfekte Timing im eigenen Heimatmarkt noch nicht da, aber in einem anderen Markt schon? 

Hat sich durch die Teilnahme an den Programmen etwas für euch und euer Startup verändert? 

Maria: Auf jeden Fall! Allem voran haben wir uns als Gründer weiterentwickelt und konnten starke Netzwerke, vor allem im deutschsprachigen Raum, aber z.B. auch in den USA, aufbauen.  

Diese Netzwerke sind auch wirklich belastbare Netzwerke. Die Leute schauen über ihren Tellerrand hinaus und jeder hilft uns, unseren Weg weiter voran zu gehen. 

Martin: Zuletzt konnten wir zum Beispiel durch den Master Accelerators aktiv Investments und Partnerschaften abschließen. Indem wir die richtigen Fragen betrachtet haben, konnten wir gestärkt in die nächste Phase unseres Unternehmens gehen. Das Geschäftsmodell hatten wir am Anfang des Accelerators zum Beispiel noch nicht zu 100% aufgestellt, doch nun sind wir uns darüber ganz im Klaren. 

Schätzt die Erfahrungen, die die Menschen um euch herum machen.
Maria-Liisa Bruckert

Co-Founder SQIN

Eure App nutzt Künstliche Intelligenz. Wie steht es eurer Meinung nach um diese Technologie in Deutschland? Was läuft richtig und wo gibt es Verbesserungspotential, z.B. durch eine gezieltere Förderung? 

Martin: Leider gibt es sehr viele Bereiche, die noch viel Verbesserungspotential haben. Angefangen dabei, dass „Künstliche Intelligenz“ häufig einfach als Buzzword verwendet wird, obwohl hinter der Lösung im Prinzip nur Statistik steht. Hier fehlt es an einer klaren Definition. 

Maria: Ein weiterer Punkt ist die ethische Frage: Bis wohin ist Tech gut und wann fängt Mensch an? Wie schaffen wir es, Themen durch Technologie voranzutreiben und zu verbessern, anstatt Menschen zu ersetzen? Viele betrachten diesen Aspekt gar nicht. In unserem Beispiel heißt das etwa nicht: „Wie können wir mit unserer Technologie das machen, was ein Arzt macht?“, sondern: „Wie kann ich die Technologie nutzen, um Ärzte besser zu machen und ihr Wissen mehr Menschen zugänglich zu machen?“.  

Martin: Zudem sind viele (EU) Regularien in puncto Künstliche Intelligenz kaum geklärt oder bieten jedenfalls sehr wenig Spielraum. Beispielsweise sind die Zertifizierungen sehr statisch und erlauben kaum eine weitere Veränderung der Technologie – was schwierig umzusetzen ist bei einer Technologie, die davon lebt, sich immer weiter zu entwickeln und zu lernen. 

Schließlich ist auch das Feld ein sehr junges, sodass etwa viele Förderrichtlinien gar nicht auf das Thema und auf Early-Stage Startups ausgelegt sind. Es wäre vielleicht an der Zeit, das Fördersystem nicht immer weiter zu erweitern oder zu spezifizieren, sondern eher in Hinblick auf neue Entwicklungen – z.B. Künstliche Intelligenz, aber etwa auch den Bereich Remote Working – anzupassen. 

Maria: Hiermit kommen wir jedoch auf ein Thema, das alles in allem auch sehr gut läuft: die sehr starke Start-up-Kultur. Es gibt in Deutschland zum Beispiel unzählige Förderprogramme und viele Konzerne, die aktiv nach Innovation suchen und sich zum Beispiel in Accelerator Programmen einbringen.  

Mit Gebrauch eurer App sollen Ärzte entlastet, aber nicht ersetzt werden. Ist eine solche Zusammenarbeit genau das, was ein Startup bieten kann: Wissen auf neuen Wegen zugänglich machen? Wird diese Ergänzung auch als solche wahrgenommen und akzeptiert? 

Martin: Wir glauben fest daran, dass wir solche Lösungen brauchen! 

Technologie sollte vor allem als Booster von Effizienz angesehen werden. Schauen wir uns doch einmal allein die Medizinbranche an: Laut einer Studie von PwC werden im Jahr 2030 allein in Deutschland etwa 165.000 Ärzte fehlen. Darum ist es umso wichtiger, dass diese Ärzte schnelle und einfache Tools haben, die sie unterstützen. 

Trotzdem sollte man nicht den Fehler machen, nur für Ärzte zu entwickeln – Technologie steht zwischen Arzt und Patient und sollte dafür sorgen, dass sich beide Seiten wohl fühlen. Allein deshalb sollten Prozesse aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. 

Maria: Auf Seiten der Ärzte gibt es zunächst leider oft erstmal Berührungsängste: Nimmt mir die Technologie meinen Job weg? Ist das der Arzt der Zukunft? Mit der richtigen Kommunikation, die wie immer der Schlüssel ist, kommt SQIN jedoch sehr gut an! Die Ärzte sind nachweislich effizienter und die Plattform wurde gemeinsam mit Ärzten für Ärzte entwickelt – darauf sind wir sehr stolz. 

Martin: Tatsächlich ist es aber eine Herausforderung, all das auch so zu vermitteln. Viele Menschen sehen diese Themen leider noch anders. Genau darum sind wir ja aber auch aktiv: um hier Veränderung zu bewirken. 

Neues im Sinne von neue Wege wagen, aber nicht ohne die Erfahrung und Erkenntnisse von Experten und Altbewährtem? 

Maria: Das ist genau unser Ansatz und der Grund, warum wir an so vielen Accelerator Programmen teilgenommen haben!  

Frauen sind bei der Gründung von Startups noch immer in der Unterzahl. Woran liegt das eurer Meinung nach und was müsste sich ändern, damit mehr Frauen den Schritt zum Startup wagen? 

Maria: Kurz gesagt: Wir brauchen mehr weibliche Role Models! 

Es mangelt definitiv nicht an guten Ideen und Fähigkeiten, sondern ist eine Frage des Mutes. Deshalb sind wir auch selbst in vielen Ökosystemen unterwegs, um als Vorbild voran zu gehen. Ich bin zum Beispiel Teil von TiE Women oder war auch bereits bei createF zu Gast. Aber gerade auch nicht rein frauenzentrierte Plattformen sind wichtig, um Sichtbarkeit zu schaffen. 

Natürlich ist es tatsächlich eine große Herausforderung, die verschiedenen Themen im Leben miteinander zu vereinbaren – Karriere, Beziehung, Familie, Freunde, …. Und gerade als Gründer:in oder Geschäftsführer:in hat man eben wirklich viel Verantwortung, mit der man lernen muss, umzugehen. Männern wird in unserer Gesellschaft an vielen Stellen gezeigt, dass sie diese Verantwortung übernehmen können. Frauen fehlt hingegen oft jemand, der ihnen sagt, dass auch sie das sehr gut können. 

Last but not least: Unser deutsches Rechtssystem benachteiligt Gründer in vielen Bereichen, vor allem aber weibliche Gründerinnen. Kürzlich gab es zum Beispiel eine Petition, die sich für gleiche Rechte im Mutterschutz für Selbstständige einsetzt. 

Die Stimmung in der Startup-Szene wurde in den letzten Wochen wenig optimistisch beschrieben: Startups sollten sich auf harte Zeiten einstellen. Was denkt ihr darüber und teilt ihr die Befürchtungen? 

Maria: Wenn man ehrlich ist, war es in den letzten Jahren ja auch abzusehen, dass es nicht immer nur nach oben gehen kann. Wir sehen eher eine Marktkorrektur – es zeigt sich, welche Ansätze sich auch langfristig bewähren können. Gerade in Branchen, in denen sehr ähnliche Lösungen mehrfach vertreten sind… 

Speziell auf HealthTech bezogen haben wir eher eine totale Aufbruchstimmung, weil das Thema durch die Covid-Pandemie gerade erst so richtig vorangegangen ist.  

Martin: Außerdem ist es sehr krisensicher, weil Gesundheit einfach immer ein Thema ist und so – bereits in der Vergangenheit, sowie auch aktuell – bei HealthTech Investoren auf Hoffnung stößt. Es werden weiterhin, bis zum Wachstum, Runden geschlossen und die Unternehmen verzeichnen positive Zahlen. 

Welche Ziele oder Projekte stehen als nächstes an? 

Martin: Wir sind gerade in der nächsten Finanzierungsrunde, um vor allem die Themen Wachstum und Technologieentwicklung weiter zu treiben.  

Zudem stehen neue Standorte auf unserer Agenda. Wir waren gerade, unterstützt vom German Accelerator, sechs Wochen in den USA. Wir wollen aus dem Wissen, das wir über die verschiedenen Märkte erlangt haben, nun auch eine konkrete Strategie entwickeln. 

Natürlich wollen wir in den kommenden Wochen unser Ökosystem erweitern und das Abdecken der Wertschöpfungskette weiter vorantreiben 

Welchen Rat würdet ihr anderen Gründer*Innen geben?

Maria: Natürlich ist es wichtig, ein gutes Produkt zu haben – aber dein Netzwerk ist mindestens genauso wichtig! Hör zu, was andere zu sagen haben. vor allem deine Zielgruppe, und lerne die Erfahrungen zu schätzen, die Menschen in deinem Umfeld teilen. Reflektiere sie und mach für dich und dein Unternehmen das Beste daraus! 

Über SQIN 

Hautgesundheit ist wichtig. Doch ein Mangel an Dermatologen steht nötigen Behandlungen im Weg. Um diese Lücke zu schließen, bietet die App SQIN eine Learning/KI-basierte 360°-Plattform, um NutzerInnen mit personalisierter Betreuung bei ihrer Hautgesundheit und persönlichem Wohlbefinden zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit Hautärzten können über die App Bagatell-Diagnosen oder Präventionsmaßnahmen in telemedizinischen Sprechstunden geklärt werden, während die intensiven Fälle in der Praxis behandelt werden. Die App zählt mehr als 150.000 UserInnen und wächst auch weiterhin. 

Im Juni 2022 hat das Gründerpaar Maria-Liisa Bruckert und Martin Pentenrieder während ihrer Teilnahme am Master Accelerator eine Pre-Seed-Finanzierungsrunde über 1 Million US Dollar abgeschlossen und bereitet die Expansion von SQIN in die USA mit Hilfe des German Accelerator vor. 

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